Kirmes - Volksfestmetropole Ibbenbüren

Kettenkarussell auf der Ibbenbürener Großkirmes (Foto: Friedhelm Schuster)Nicht die vielen bunten Karussells locken einen ehemals Ortsansässigen, sozusagen einen Exil-Ibbenbürener, wie mich in erster Linie am ersten Sonntag im September und den vorhergehenden Tagen in die Innenstadt, nicht die Getränkestände (obgleich deren Rolle nicht geringfügig einzuschätzen ist), sondern die ganzen "alten Bekannten" stellen die Hauptattraktion dar. Sie gilt es zu finden. Die Großkirmes als Suchspiel zu begreifen, erfordert eine hohe Konzentration und Ausdauer. Da gab es doch jemanden, den man unbedingt wiedersehen wollte. Ein kurzer Telefonanruf: "Wir sehen uns dann auf der Kirmes." Doch unter all den Menschen, die an den Gyros-, Bratfisch- und Losständen entgegen strömen, ist das Gesicht nicht zu erkennen, so sehr ich meinen Kopf auch recke. Ah, ein Hoffnungsschimmer. Der kam mir doch gleich so bekannt vor.

"Hallo, altes Haus, wie lang ist das nur her....?" heißt es dann. "Vor einem Jahr wird das gewesen sein.." - "Vor einem Jahr?" - "Letzte Kirmes." - "Hey, stimmt ja! Was gibt's denn Neues?" Eine Viertelstunde später bin ich wieder im Bilde. Wer macht inzwischen was und vor allem: Wer ist wo? Ich setzte meine Suche fort.

Auch die beiden Gymnasien wissen das große Wiedersehen zu nutzen und legen die Ehemaligen-Treffen auf das Kirmes-Wochenende. Hier konzentrieren sich dann die Unterhaltungen auf die Neuigkeiten des Einen und des Anderen, werden auf den ganzen Jahrgang und die anwesenden Lehrer ausgedehnt. Und die ehemaligen Abiturienten sparen sich die Telefonkosten für die Frage: "Wann gehst denn Du auf die Kirmes." Längst haben auch die Hochschulen im ganzen Bundesgebiet auf das Ibbenbürener Volksfest reagiert und die "vorlesungsfreie Zeit" so festgelegt, dass der September immer hinein fällt. Und ist dann jemand doch durch eine Hausarbeit, durch Klausuren, Fernreisen oder ähnliche Arbeit abgehalten, gönnt er sich zumindest einen Kirmes-Tag. Das ist Tradition und gehört zu den sozialen Verpflichtungen eines echten Ibbenbüreners. Eine ähnliche Wirkung in Bezug auf das Heimkehren können wohl nur die Weihnachtsfeiertage vorweisen; die Zeitung lassen eine Kirmes-Adventsstimmung mit Berichten über die neuesten Attraktionen aufkommen, von einem vergleichbaren Stress kann jedoch bei der Kirmes keine Rede sein.

Vorzugsweise trifft man sich am Freitag. An diesem Kirmestag sind noch die meisten Ibbenbürener anzutreffen. Wer gerade erst wieder "im Lande" ist und am Samstag noch einen wichtigen Termin hat, den sieht man am Freitag. Und wenn nicht, dann bestimmt am Samstag. Samstags sind die Gassen voll. Käme jemand auf die Idee, die verfügbare Fläche einmal auszumessen und die Leute zu zählen, die sich gleichzeitig auf ihr tummeln, würde er die Zahlen wohl nicht für wahr halten. Und erst recht kein Anderer würde ihm glauben - es sei denn, er hätte es selbst erlebt. Nicht nur Ibbenbürener gehen an diesem Tag zur Fiesta, auch in den umliegenden Städten hat es sich herumgesprochen. Am Kirmes-Samstag ist Ibbenbüren eine Metropole. Hier noch jemanden anzutreffen, gestaltet sich äußerst schwierig.

Am Sonntagmittag gehört den Familien die Kirmes. Die ganze Innenstadt ist bevölkert von Eltern mit ihren Kindern. Früh übt sich, wer ein waschechter Ibbenbürener Kirmesgänger werden will. Am Abend jedoch ist die Kirmes relativ leer. Der Kirmes-Montag ist kein Feiertag mehr, auch die Ibbenbürener Schulen geben nicht mehr frei, so dass sonntagabends nur noch Wenige anzutreffen sind. Dafür sind sie leichter zu finden. Ist auch der Vormittag montags nicht mehr frei, so lockt doch der Nachmittag zum halben Preis. Und jeder erwartet das Feuerwerk. Wohl dem, der einen Fensterplatz hat. Man verabschiedet sich von denen, die man noch trifft. "Bis zum nächsten Jahr!" - "Hmmm?" - "Zur nächsten Kirmes." - "Ach so, ja, bis dann!"


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